Mehr als ein Spiel
Noch zu meiner Gymnasiumzeit habe ich Tischfußball gespielt. In den 1990er Jahren hatte jedes Café, das sich um seinen guten Ruf bemühte, einen Tisch, normalerweise einen italienischen Fabi mit blauen und roten, oft enthaupteten Spielern. Es war wichtig, dass die Griffe geschmiert wurden. Mir gefiel die Dynamik des Spiels, der Blechklang, die triumphierend ein Tor ankündigte, das Überlisten des Gegners und die Tatsache, dass ich im Billard, das meistens den Raum mit Tischfußball teilte, verzweifelt schlecht war, verstärkte die Neigung.

Nach etwas mehr als 20 Jahren Pause, als meine Knie nicht mehr „mitmachten“ und eine nicht so erfolgreiche Fußballkarriere endete, suchte ich nach einem neuen Hobby. Tischtennis fiel aus dem gleichen Grund wie Fußball schnell weg und Brettspiele fanden nur teilweise Anklang. Sony Playstation und ähnliche „Button“-Spiele könnten für jemanden, der in Jugoslawien aufgewachsen ist, keine Wahl sein. Bis eines Tages Frau Dakić nebenbei erwähnte, dass es in einem naheliegenden Motorradclub gute Musik und gute Clique und daneben auch Tischfußball gibt. Am darauffolgenden Freitag fuhr ich hin und konnte meine Augen von dem guten alten Fabi nicht abwenden. Ich sagte dem Besitzer, dass ich kein Motorrad fahren kann, kein Bier trinke, aber dass ich gerne Griffe drehen würde. Die nächsten paar Stunden vergingen unbemerkt, die Zeit wurde mit Tokens gemessen. Als ich nach Hause kam, gratulierte ich meiner Frau zur Entdeckung dieses Ortes, die Musik war wirklich gut, aber das war nicht der Grund, warum ich morgen wieder hinging. Und übermorgen. Es war klar - ich war verzaubert. Bald habe ich meinen Trauzeugen angelockt, wir wurden Stammgäste und das erste Vereinsturnier war gewonnen.

Einige Zeit später wechselte ich zu einem anderen Café, in dem die Musik nicht so gut, aber das Spiel andererseits viel besser war. Hier war der Tischfußball mehr als Spaß, es wurde ernsthaft gespielt und von der neuen Clique hörte ich von Turnieren, die in ganz Serbien veranstaltet werden, den besten Spielern des Landes, zu denen auch die Bürger von Vršac zählen, wie und wie viel trainiert wird ... Ok, wir sind auf ein neues Niveau gestiegen, sodass zur Bestürzung von Frau Dakić das Wohnzimmer bald mit einem neuen, gerade aus Italien importierten Tisch „dekoriert“ wurde.

Ich war auf Turnieren in Serbien, spielte immer noch an Fabi-Tischen, die, ähnlich wie der Alan-Ford-Comic, in Italien und in den ehemaligen SFRJ-Republiken sehr beliebt waren, aber vom Internationalen Tischfußballverband (International table soccer federation - ITSF) nicht anerkannt wurden, sodass sie von einigen Spielern abwertend „volkstümlich“ genannt wurden. Natürlich kannte ich mich mit professionellen Tischen aus, sah mir viele Clips der weltbesten Spieler an, aber erst als ich an einem davon stand und die Griffe anfasste, wurde mir klar, wie groß der Unterschied war. Alles war anders - die Abmessungen des Tisches, die Größe des Tores, der Ball, die Oberfläche, die Füße der Spieler, die Technik der Schüsse, Pässe ... Ich denke, so fühlen sich Tennisspieler, wenn sie die Oberfläche wechseln, wobei dann der Wechsel auch den Schläger, den Ball und noch etwas anderes beinhalten würde. Es war klar, dass immer mehr Leute auf Pro-Tische umsteigen, was verständlich ist, wenn man bedenkt, dass internationale Turniere und Meisterschaften ausschließlich an diesen Tischen gespielt werden und dies bedeutete praktisch, dass die bisher gewonnenen Erkenntnisse ziemlich unbrauchbar waren. Ich beschloss, es zu versuchen. Es kam die Zeit, sich vom Fabi-Tisch zu verabschieden und einen Profi-Tisch zu kaufen. Bald kam ein grün-schwarzer Tisch des deutschen Herstellers Leonhart dieses Mal in mein Arbeitszimmer, damit sich andere Mitglieder der Familie Dakić mal von dem mir so ans Herz gewachsenen Laut erholen konnten. Irgendwie zu dieser Zeit kam auch die Korona, und die Quarantänetage schienen mit einem neuen Spielzeug weniger düster.

Nach der Lockerung der Maßnahmen folgten Turniere in Belgrad, Sombor, Bečej, Prigrevica... und natürlich auch in Vršac. Seit letztem Jahr nehme ich an internationalen Turnieren teil, wo Dutzende und Hunderte von Spielern aus der ganzen Welt spielen, darunter auch die Besten. Durch dieses Spiel habe ich viele gute Leute kennengelernt, die Teil desselben Mikrokosmos sind und von denen einige meine engen Freunde geworden sind.

Der Tischfußball ist in den meisten Ländern als Sport anerkannt. In Serbien ist dies nicht der Fall, obwohl es einen serbischen Tischfußballverband und mehrere Vereine gibt, die größtenteils doch informell sind. Es geht langsam voran, in Zusammenarbeit mit unseren Leuten, die im Ausland leben, wird Tischtennis immer beliebter gemacht, Turniere werden organisiert und unsere Spieler erzielen immer bessere Ergebnisse bei internationalen Wettkämpfen. Allerdings gibt es beim Tischfußball kein großes Geld und keine Publizität, nur wenige der Besten der Welt können davon leben. Der Tischfußball wird aus Liebe gespielt.

Für viele Leute klingt die Beschäftigung mit Tischfußball merkwürdig, sie kennen ihn als Kneipenspiel, einfacher Spaß zu Bier. Es ist für sie unvorstellbar, dass jemand ernsthaft Zeit und Geld für eine so triviale Sache aufwendet. Es gibt Momente, in denen ich darüber nachdenke, was mir dieser Sport wirklich bringt, wo er auf meiner Prioritätenliste steht, wo er stehen sollte und überhaupt, wann ich erwachsen werde. Ich lehne es vorerst ab und hoffe, dass ich das Spiel noch lange genießen und meinen Geist jung halten kann. Die Zeit, die ich beim Spielen verbringe, unabhängig davon, ob ich alleine trainiere oder mit meinen Freunden spiele, erlebe ich als Zeit für mich selbst, eine Art Meditation, völlige Konzentration auf das Spiel und das „Geschehen auf dem Spielplatz“, ungestört durch Sorgen der „ernsten“ Welt. Jeder „irrational“ verbrachte Moment am Tisch und jeder Dinar, der für den Tischfußball ausgegeben ist, stellt eine Investition in eine Quelle des reinen Glücks dar.

Manchmal frage ich mich, was ich erreichen möchte, ob es sich um neue Siege, Pokale und Medaillen handelt, ist das die Fähigkeit, auf höchstem Niveau zu spielen, an der Weltmeisterschaft und der Champions League teilzunehmen (ja, es gibt sie im Tischfußball). Ich wäre unehrlich, wenn ich sagen würde, dass das nicht stimmt, aber vor allem möchte ich in einem großen Turnier ohne Druck spielen, unbelastet von Ergebnis, Sieg und Niederlage, mich der Freude am Spiel hingeben und meine Hände alleine tanzen lassen.

Autor: Borislav Dakić, Manager für Rechtsangelegenheiten von Hemofarm AD Vršac und Vertreter Serbiens im Tischfußball

Übernommen: Hemofarm Foundation - More than a game (fondacijahemofarm.org.rs)